BGH, Urteil vom 19. Januar 2021 – 5 StR 291/20
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zehn Fällen – unter Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 469.467,48 Euro angeordnet. Von einer Einziehungsentscheidung gegen die Einziehungsbeteiligten hat es abgesehen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten ist unbegründet. Das auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte, gegen die unterbliebene Anordnung einer Einziehung gegen die Einziehungsbeteiligten gerichtete Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls keinen Erfolg.
Das Urteil
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 11. Dezember 2019 werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels und die den Einziehungsbeteiligten hierdurch im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Sachverhalt
- Von August 2014 bis Oktober 2017 entwendete der Angeklagte in zehn Fällen insgesamt rund 22.600 Gramm hochwertiges Edelmetall aus den Produktionsräumen seines Arbeitgebers, um sich durch die anschließende Veräußerung des Diebesguts eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. Er verkaufte die gestohlenen Edelmetalllegierungen in 148 Fällen an eine Vielzahl von Firmen, wodurch er insgesamt 469.467,48 Euro erlöste. In Höhe von 34.080,56 Euro wurde der Kaufpreis auf ein Bankkonto der Einziehungsbeteiligten überwiesen, die den Betrag in der Folge an den Angeklagten auskehrten.
Ausweislich der geständigen Einlassung des Angeklagten, die durch die Beweismittel in der Hauptverhandlung „vollinhaltlich untermauert“ worden ist, wurden die Edelmetalllegierungen „praktisch wie an der Börse“ gehandelt.
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zehn Fällen – unter Einbeziehung einer noch nicht vollständig vollstreckten Geldstrafe aus einem früheren Urteil – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Für die Einziehungsentscheidung nach §§ 73, 73c StGB hat das Landgericht als Tatertrag auf den Erlös des Angeklagten aus den Verkäufen der gestohlenen Edelmetalllegierungen abgestellt.
- An einer Einziehungsanordnung gegen die Einziehungsbeteiligten nach §§ 73b, 73c StGB in Höhe der auf deren Konto überwiesenen Verkaufserlöse hat sich das Landgericht gehindert gesehen, weil es sich nicht davon zu überzeugen vermocht hat, dass die Einziehungsbeteiligten „bereichert“ gewesen seien.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
- Entgegen der Revision weist auch der Strafausspruch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf.
Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die wiederholte Tatbegehung über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren bereits bei der Bestimmung der Einzeltaten strafschärfend berücksichtigt hat. Dass es diesen Umstand bei den späteren Taten mit etwas höherem Gewicht eingestellt hat, weist im Hinblick auf den zunehmenden – von der Strafkammer straferschwerend herangezogenen – Vertrauensmissbrauch des Angeklagten gegenüber seinem Arbeitgeber keinen Rechtsfehler auf.
Soweit das Landgericht bei der Gesamtstrafenbildung darauf hingewiesen hat, dass der Schaden nicht ausgeglichen worden sei, ist nicht zu besorgen, dass es das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zu Lasten des Angeklagten verwertet haben könnte. Denn es hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es angesichts dessen eine nicht noch mildere Gesamtstrafe habe verhängen können.
- Die Einziehungsanordnung nach §§ 73, 73c StGB hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Zwar hat das Landgericht bei der Bestimmung des Tatertrags im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt, weil der Angeklagte durch die Diebstahlstaten nicht – wie indes vom Landgericht angenommen – das Bar- oder Buchgeld aus den Verkäufen des Diebesguts, sondern die gestohlenen Edelmetalllegierungen erlangt hat. Deren Wert hätte es mithin der Entscheidung über die Einziehung nach § 73c StGB zugrunde legen müssen. Für die Wertbestimmung wäre in zeitlicher Hinsicht auf den jeweiligen Verkaufszeitpunkt abzustellen gewesen, da die Voraussetzungen für die Wertersatzeinziehung in diesem Zeitpunkt eingetreten sind.
Das Urteil beruht aber nicht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), weil Edelmetalllegierungen der entwendeten Art „wie an der Börse“ gehandelt wurden und der vom Angeklagten erzielte Verkaufserlös daher dem Marktwert des Diebesgutes in dem für die Wertbestimmung entscheidenden Zeitpunkt entsprach.
III.
Die wirksam auf die unterbliebene Einziehungsanordnung betreffend die Einziehungsbeteiligten beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
- Die erhobene Aufklärungsrüge, mit der die Beschwerdeführerin beanstandet, das Landgericht habe es unterlassen, entgegen § 244 Abs. 2 StPO nicht näher bezeichnete Kontoauszüge der Einziehungsbeteiligten „beizuziehen“, ist schon deshalb unzulässig, weil die Bankunterlagen nicht mitgeteilt worden sind (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
- Mit der Sachrüge dringt die Staatsanwaltschaft nicht durch. Zwar weist die Beschwerdeführerin mit Recht darauf hin, dass die knappen Ausführungen des Landgerichts, die das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes des § 73e Abs. 2 StGB (Entreicherung eines gutgläubigen Drittbegünstigten) allenfalls andeuten, eine revisionsrechtliche Überprüfung der Einziehungsentscheidung nicht ermöglichen. Das Urteil beruht aber nicht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), weil es für die Einziehung nach § 73b Abs. 1 Nr. 1, § 73c StGB schon an den tatbestandlichen Anordnungsvoraussetzungen fehlt.
Bei dem Buchgeld, das die Einziehungsbeteiligten erlangt haben, handelt es sich nicht um das durch die abgeurteilten Diebstahlstaten erlangte Etwas im Sinne des § 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB, sondern allenfalls um Taterträge aus den – nicht von der Sachentscheidung des Landgerichts umfassten – möglichen Betrugstaten (§ 263 StGB) zum Nachteil der Käufer des Diebesgutes. Für eine selbständige Einziehung des Wertes dieser Taterträge nach § 76a Abs. 1 Satz 1 StGB fehlt es aber jedenfalls an der Verfahrensvoraussetzung eines entsprechenden staatsanwaltlichen Antrags nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Dass es sich bei den Verkaufserlösen in Form des von den Einziehungsbeteiligten erlangten und später an den Angeklagten ausgekehrten Buchgelds um Surrogate von Diebesgut handelte, kann eine Einziehungsanordnung gegen Drittbegünstigte nicht begründen. Denn eine Einziehung des Veräußerungssurrogats sieht – wie sich aus dem Umkehrschluss aus § 73b Abs. 3 StGB ergibt – das Gesetz in den sogenannten Vertretungsfällen des § 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht vor. Hinzu kommt, dass eine wie die hier inmitten stehende Einziehung des Wertes von Veräußerungssurrogaten generell unzulässig ist.