Subventionsbetrug? BGH, Urteil vom 15. November 2022, Az.: 6 StR 237/21
Das Landgericht hat die Angeklagten freigesprochen. Gegen dieses Urteil wenden sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben bereits mit den Sachrügen Erfolg.
Das Urteil
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 14. August 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Sachverhalt
I.
Die Staatsanwaltschaft legt den Angeklagten zur Last, jeweils Beihilfe zu einem durch den gesondert Verfolgten L. begangenen Subventionsbetrug geleistet zu haben; tateinheitlich hätten die Angeklagten E. und B. sich einer Untreue schuldig gemacht.
- habe das Projekt „Ya.“ künstlich in zwei Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von jeweils 49,5 Millionen Euro aufgespalten, um die ihm bekannte Pflicht zu umgehen, es vor der Entscheidung über die Gewährung von Subventionen zur Prüfung und Genehmigung bei der Europäischen Kommission anzumelden (Einzelfallnotifizierung für große Investitionsvorhaben mit Kosten von mehr als 50 Millionen Euro).
Der als Rechtsanwalt und Steuerberater L. s tätige Angeklagte S. habe diesen bei der Planung und Umsetzung unterstützt, indem er unter anderem wider besseren Wissens den für eine höhere Förderquote erforderlichen „KMU-Status“ der beiden Betriebsgesellschaften erklärt und die sachliche und rechnerische Richtigkeit sämtlicher Mittelanforderungen bestätigt habe.
Der Angeklagte E. habe sich als damaliger Wirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommerns für die Förderung von zwei Vorhaben eingesetzt und die Zuwendungsbescheide ohne die erforderliche Mitteilung an die Europäische Kommission gebilligt, obwohl ihm die künstliche Aufspaltung bekannt gewesen sei. Zudem habe er drei Bürgschaftserklärungen zu Gunsten der beteiligten Gesellschaften abgegeben.
Der Angeklagte B. habe als Vorstandsvorsitzender der O. (im Folgenden: O.) die Subventionsgewährung für die Vorhaben trotz Kenntnis der missbräuchlichen Gestaltung gefördert, indem er durch die Eintragung von Zustimmungsvorbehalten die faktische Geschäftsführerstellung L. s hinsichtlich der zweiten Betriebsgesellschaft sichergestellt und Bedenken gegen die Kredit- und Bürgschaftsgewährung durch positive Stellungnahmen ausgeräumt habe.
Nachdem das Landgericht Rostock die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hatte, hat das Oberlandesgericht Rostock mit Beschluss vom 22. Juni 2016 die Anklage mit abweichenden Wertungen zu Beteiligungsformen zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Landgericht Schwerin eröffnet.
II.
- Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der gesondert verfolgte Bauunternehmer L. war einzelvertretungsberechtigter Vorstand der OD. AG und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der H. GmbH (im Folgenden: H. ). Bereits im Jahr 1999 hatte die H. – ohne Beteiligung von L. – einen Konzessionsvertrag mit der Hansestadt Rostock über die Planung, Finanzierung sowie den Bau und den Betrieb des maritim-touristischen Gewerbegebiets „D. “ geschlossen. Im Sommer 2002 wurden die Y. GmbH (im Folgenden: Y. ) sowie die M. GmbH (im Folgenden: M. ) gegründet. Alleingesellschafterin der Y. war die OD. AG, als ihr Geschäftsführer war L. eingesetzt, der auch für die M. in Bezug auf das Bauprojekt „D.“ als maßgeblicher Ansprechpartner sowie alleiniger Investor und Entscheidungsträger auftrat.
Am 4. Juli 2002 beantragte die Y. beim Landesförderinstitut Mecklenburg-Vorpommern (im Folgenden: LFI) die Gewährung öffentlicher Finanzierungshilfen an die gewerbliche Wirtschaft im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung zur Errichtung eines Wellnesshotels mit 123 Zimmern in Höhe von 49,5 Millionen Euro. Einen Tag später beantragte auch die M. die Gewährung entsprechender öffentlicher Finanzierungshilfen zur Errichtung eines Kongresshotels mit 245 Zimmern in Höhe von 49,5 Millionen Euro. Im Oktober 2002 stellte der Zeuge P. für beide Hotels, die L. wiederholt als ein Objekt präsentierte, einen Bauantrag.
In seiner Eigenschaft als damaliger Wirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommerns teilte der Angeklagte E. am 29. Oktober 2002 gegenüber der Y. und der M. in zwei inhaltsgleichen „Letter of Intent“ seine Bereitschaft mit, sich für eine Förderung der Bauvorhaben im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten einzusetzen, wobei er darauf hinwies, dass eine Höchstfördergrenze von 50 Prozent bestehe und das Schreiben keine rechtsverbindliche Förderzusage darstelle.
Die Hansestadt Rostock erteilte der Y. und der M. am 23. Mai 2003 die beantragten Baugenehmigungen. Am 25. Mai 2003 schloss die H. mit der Y. und der M. Pachtverträge über die von ihr im November 2002 erworbenen Flächen, die 2004 von der das Projekt mitfinanzierenden N. (im Folgenden: N.) wegen nicht marktgerechter Bedingungen moniert und auf Veranlassung von L.unter Federführung des Angeklagten S. geändert sowie rückdatiert wurden. Einen Tag später unterzeichnete die HD. GmbH (im Folgenden: HD.), die unter dem maßgeblichen Einfluss von L. stand, Generalunternehmerverträge mit der Y. über die schlüsselfertige Errichtung eines Wellnesshotels zum Preis von 48,2 Millionen Euro und mit der M. über die schlüsselfertige Errichtung eines Kongresshotels zum Preis von 49,5 Millionen Euro.
Auf Veranlassung von L. schloss die HD. mit der NC. GmbH (im Folgenden: NC. ) am 16. Dezember 2003 Generalunternehmerverträge zur Erstellung der beiden Hotels zum Gesamtpreis von 64 Millionen Euro und der Erschließung des benachbarten Wohngebiets „T. “ zum Preis von 25,6 Millionen Euro. Beide Verträge wurden – ebenfalls von L. veranlasst – noch am selben Tag aufgehoben und durch einen Generalunternehmervertrag für sämtliche Objekte zu einem Gesamtpreis von 89,6 Millionen Euro ersetzt. Die NC. erbrachte die vereinbarten Bauleistungen, ohne in den Abschlagsrechnungen an die HD. zwischen den verschiedenen Projekten zu unterscheiden. Diese stellte im Nachgang Abschlagsrechnungen an die Y. und die M. .
Am 23. Dezember 2003 erließ das Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern durch den Staatssekretär Me. – in Vertretung für den Angeklagten E. – Zuwendungsbescheide an die M. über einen Förderbetrag in Höhe von 24,01 Millionen Euro (Investitionssumme: 49 Millionen Euro, Fördersatz: 49 Prozent) sowie an die Y. über einen Förderbetrag in Höhe von 23,471 Millionen Euro (Investitionssumme: 47,9 Millionen Euro, Fördersatz: 49 Prozent). Noch am selben Tag verzichteten die M. und die Y. auf Rechtsmittel gegen die Bescheide. Die Zuwendungsbescheide sahen projektbezogene gleichlautende Nebenbestimmungen vor, etwa zum Zuwendungszweck, Bewilligungszeitraum, Investitionsvorhaben oder zum Abruf des Zuschusses. Ziffer X. der Nebenbestimmungen enthielt unter der Überschrift „Subventionserheblichkeit der Angaben“ jeweils folgenden Hinweis:
„Gemäß § 3 Subventionsgesetz vom 29. Juli 1976 (BGBl. I, S. 2037) ist der Subventionsnehmer verpflichtet, dem Subventionsgeber unverzüglich alle Tatsachen mitzuteilen, die der Bewilligung, Gewährung, Weitergewährung, Inanspruchnahme oder dem Belassen der Subvention oder des Subventionsvorteils entgegenstehen oder für die Rückforderung der Subvention oder des Subventionsvorteils erheblich sind. […] Tatsachen, die für die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen der Zuwendung von Bedeutung sind, sind subventionserheblich im Sinne von § 264 Strafgesetzbuch. Zu den Tatsachen zählen insbesondere die im Antrag, in ergänzend dazu vorgelegten Unterlagen, in Mittelabrufen und in Nachweisen und Berichten enthaltenen Angaben.“
Am 16. September 2004 unterzeichneten die O. und die N. einen Konsortialvertrag zum Zweck der gemeinsamen Kreditvergabe an die H. , Y. und M. . Aus „banktechnischen Erwägungen“ erfolgte eine Zusammenfassung der „rechtlich völlig getrennt“ zu betrachtenden Kreditnehmer. Bereits am 10. Juni 2004 schloss das Bankenkonsortium O. /N. im „Rahmen des Konsortialvertrages“ Kreditverträge mit der H. über einen Betrag in Höhe von sieben Millionen Euro, mit der Y. über einen Betrag in Höhe von 49 Millionen Euro und mit der M. über einen Betrag in Höhe von 50,5 Millionen Euro.
Vom 28. Mai 2004 bis 10. März 2006 stellte die Y. – von L. unterzeichnete, auf ihre sachliche sowie rechnerische Richtigkeit vom Angeklagten S. bestätigte – 14 Mittelanforderungen über insgesamt 23,471 Millionen Euro, die nach entsprechender Bewilligung durch das LFI bis zum 27. April 2006 in neun Teilbeträgen auf das Konto der Y. bei der O. überwiesen wurden. Ebenso oft forderte die M. im Zeitraum vom 1. Juni 2004 bis 9. März 2006 vom LFI Mittel in Höhe des ihr bewilligten Förderbetrags an. Die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Mittelanforderungen bestätigte ebenfalls der Angeklagte S. . Die Bewilligung und Überweisung erfolgten wiederum in neun Teilbeträgen bis zum 27. April 2006 auf das Konto der M. bei der O. .
In Bezug auf die beiden Hotelanlagen schlossen die Y. und die M. am 12. September 2005 einen Geschäftsbesorgungsvertrag zur Schaffung von Synergieeffekten „bei einem nach außen einheitlichen Betrieb durch zwei Gesellschaften“. Der Gast sollte die Trennung nicht erkennen und am Ende des Aufenthalts nur eine Rechnung erhalten. Der Vertrag sah im Wesentlichen vor, dass die Y. gegen Zahlung einer Provision für die M. die Vermittlung der Hotelzimmer sowie der Konferenzräume übernehmen sollte. Der Betrieb sollte im Übrigen getrennt ablaufen und durch den Geschäftsbesorgungsvertrag „nicht gesetzeswidrig“ zusammengefasst werden. Mit Zusatzvereinbarung vom selben Tag kamen die Y. und die M. überein, dass direkt einer Gesellschaft zuzuordnende Aufwendungen dieser, die anderen entsprechend der Zimmerzahl der Hotels zugerechnet werden sollten. Noch im selben Monat nahmen die Y. und die M. den Betrieb der Hotels auf und rechneten die Leistungen gemäß dem Geschäftsbesorgungsvertrag ab.
Die Hotels wurden von Anfang an gemeinsam, jedoch als trennbare sowie autark und separat betreibbare Anlagen geplant. Zwar bilden sie ein einheitliches architektonisches Bild und befinden sich in unmittelbarer räumlicher Nähe auf einem einheitlich erscheinenden Grundstück, sind aber – bis auf das gemeinsam genutzte Verwaltungsgebäude – auf eigenen Flurstücken gelegen und erfüllen eigene Funktionen.
Soweit technische Verbindungen bestehen, sind diese auf Trennbarkeit ausgelegt. Obwohl von Beginn an nur die Rezeption des Wellnesshotels in Betrieb ist, verfügen die drei Eingänge des Sport- und Kongresshotels über eigene Rezeptionen samt der erforderlichen technischen Ausstattung. Die Gebäudetechnik ist zwar im gemeinsam genutzten Verwaltungsgebäude untergebracht, jeder Hotelbetrieb hat aber – mit Ausnahme der ebenfalls zentral betriebenen Heizung und Notstromversorgung – eigene gebäudetechnische Lösungen, die nach einigen „Umschaltungen“ einen autarken Betrieb ermöglichen. Auch getrennte Heizungen und Notstromversorgungen könnten eingebaut werden. Während das Wellnesshotel über eine vollwertige Küche – auch für den à-la-carte-Betrieb – verfügt, genügt die entsprechende Ausstattung des Sport- und Kongresshotels lediglich für ein Angebot von Frühstück und Abendessen in Form von Buffets. Eine Aufrüstung zu einer vollwertigen Küche wäre allerdings für das Sport- und Kongresshotel möglich. Das Führungspersonal ist für beide Komplexe tätig und die Vermarktung erfolgt einheitlich. Im Übrigen ist der „operative Betrieb durch Aufbau paralleler und doppelter Strukturen strikt getrennt“.
Insgesamt beliefen sich die geschätzten Kosten einer möglichen, vollständigen Trennung des Betriebs der beiden Hotelkomplexe auf einen Höchstbetrag von 1,5 Millionen Euro und damit weniger als fünf Prozent ihrer jeweiligen Baukosten.
- Das Landgericht hat den Freispruch der Angeklagten im Wesentlichen wie folgt begründet:
- a) Eine Strafbarkeit wegen Subventionsbetruges und der Beihilfe hierzu scheide aus, weil zwei Investitionsprojekte vorlägen, was „falsche bzw. fehlende Angaben über eine künstliche Aufspaltung der Investitionsvorhaben“ ausschließe. Bei der rechtlichen Bewertung ist das Landgericht ausgehend von den vom Bundesgerichtshof aufgezeigten Gesichtspunkten nach einer Gesamtabwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine künstliche Aufspaltung nicht vorliege. Trotz ihrer räumlichen Nähe böten die Y. und die M. nur ähnliche, nicht aber nahezu identische Produkte an. Die festgestellten technischen, funktionalen und strategischen Verbindungen zwischen der Y. und der M. seien weder für sich genommen noch kumulativ als ausreichend stark zu bewerten, um eine Unteilbarkeit anzunehmen. Es komme nicht darauf an, dass das Objekt noch nicht geteilt sei. Der finanzielle Aufwand für eine vollständige Trennung hielte sich in angemessenem Rahmen.
- b) Da die Förderung der Bauvorhaben unter zulässigen und offengelegten Voraussetzungen erfolgt sei, blieben auch die gegen die Angeklagten E. und B. gerichteten Untreuevorwürfe gegenstandslos. Damit scheide eine Strafbarkeit im Zusammenhang mit den Bürgschaftsgewährungen aus, zumal keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass diese aus anderen Gründen rechtswidrig erfolgt sein könnten. Für eine Strafbarkeit wegen Betruges fehle es an einer Täuschungshandlung.
- c) Schließlich bestehe wegen eingetretener Verjährung keine Wiedereinbeziehungspflicht des gegen den Angeklagten B. gerichteten von der Staatsanwaltschaft gemäß § 154a StPO ausgeschiedenen Tatvorwurfs der Untreue zum Nachteil der O.
III.
- Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
- a) Die Taten sind nicht verjährt (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Lauf der für Vergehen nach § 264 Abs. 1 StGB geltenden Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) beginnt gemäß § 78a Satz 1 StGB, sobald die Tat beendet ist. Die Tatbeendigung tritt mit der Zahlung der Subvention an den Begünstigten ein, bei Ausreichung in Teilbeträgen mit Eingang der letzten Rate. Begann demnach die Verjährungsfrist mit Eingang der letzten Zahlung am 27. April 2006 zu laufen, so wurde diese durch die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegenüber den Angeklagten E. und B. am 20. April 2011 und gegenüber dem Angeklagten S. am 26. April 2011 rechtzeitig und erneut durch die Erhebung der öffentlichen Klage am 11. Juli 2013 sowie durch die Eröffnung des Hauptverfahrens durch Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. Juni 2016 unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Nr. 1, 6 und 7 StGB). Absolute Verjährung (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78b Abs. 4, § 78c Abs. 3 Satz 2 und 3 StGB) war vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils (§ 78b Abs. 3, § 78c Abs. 3 Satz 3 StGB) nicht eingetreten.
- b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist auch der gemäß § 154a StPO vorläufig ausgeschiedene Tatvorwurf der Untreue gegen den Angeklagten B. zum Nachteil der O. nicht verjährt, weil der Eröffnungsbeschluss auch insoweit die Verjährung (erneut) unterbrochen hat.
- Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr ankommt. Die Freisprüche der Angeklagten vom Subventionsbetrug bzw. der Beihilfe hierzu halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Es fehlt an einer Darstellung, die eine revisionsgerichtliche Nachprüfung ermöglicht.
- a) Die Feststellungen sind lückenhaft und ermöglichen keine Überprüfung, ob die gestellten Förderanträge nebst Anlagen oder die Mittelanforderungen unrichtige oder unvollständige Angaben über subventionserhebliche Tatsachen im Sinne von § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB i.d.F. vom 1. Januar 2000 (im Folgenden: StGB aF) enthielten.
- aa) Nach § 264 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB aF macht sich strafbar, wer einer für die Bewilligung einer Subvention zuständigen Behörde oder einer anderen in das Subventionsverfahren eingeschalteten Stelle oder Person (Subventionsgeber) über subventionserhebliche Tatsachen für sich oder einen anderen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für ihn oder den anderen vorteilhaft sind. Subventionserheblich sind Tatsachen, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet wurden.
- bb) Ausweislich der Urteilsgründe hat der Subventionsgeber in Ziffer X. der Zuwendungsbescheide bestimmt, dass Tatsachen, die für die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen der Zuwendung Bedeutung haben – insbesondere die im Antrag, in ergänzend vorgelegten Unterlagen, in Mittelabrufen, in Nachweisen und Berichten enthaltenen Angaben –, subventionserheblich im Sinne von § 264 StGB sind. Diese Bezeichnung erging auch „aufgrund eines Gesetzes“ im Sinne von § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB aF, denn sie stützte sich auf die Regelung des § 2 SubVG, der für Subventionen des Bundes eine Ermächtigung zur Bezeichnung subventionserheblicher Tatsachen bildet. Gemäß § 1 SubVG M-V gilt diese Norm für Subventionen nach dem Landesrecht Mecklenburg-Vorpommerns entsprechend. Sie erfasst auch Subventionen nach EG-Recht, die durch eine Stelle der Bundesrepublik Deutschland vergeben werden.
- cc) Das Landgericht hätte daher mitteilen müssen, welche Angaben die Betreibergesellschaften in den Fördermittelanträgen, der begleitenden Dokumentation und in den Mittelabrufen gemacht haben. Im Anschluss wäre zu prüfen gewesen, ob die Beschreibung des Investitionsvorhabens nebst Investitionskosten und Investoren in diesen Unterlagen subventionserhebliche Tatsachen sind. Dazu hätte wegen des Hinweises in Ziffer X. der Zuwendungsbescheide Veranlassung bestanden, unabhängig davon, dass das Landgericht im Ergebnis eine künstliche Aufspaltung verneint hat.
- b) Ebenfalls lückenhaft sind die Feststellungen dazu, ob die Förderanträge nebst der sie begleitenden Dokumentation unrichtige oder unvollständige Angaben zu subventionserheblichen Tatsachen im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB aF enthielten.
- aa) Subventionserhebliche Tatsache nach § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB aF ist das Nichtvorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs als Ausschlusstatbestand für eine Bewilligung. Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 SubvG ist ein Gestaltungsmissbrauch insbesondere dann anzunehmen, wenn die förmlichen Voraussetzungen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils in einer dem Subventionszweck widersprechenden Weise künstlich geschaffen werden. In Bezug auf Subventionen nach dem Recht der Europäischen Union regelt Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 diese Folgen für Umgehungshandlungen in gleicher Weise.
- bb) Die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs setzt – wie bei dem insoweit vergleichbaren § 42 AO – voraus, dass der gewählten Gestaltungsform kein eigenständiger Sinngehalt zukommt und sie allein zur Herbeiführung der Subventionsgewährung vorgenommen wird . Ein solcher kommt hier in Betracht, wenn die Gründung zweier Betriebsgesellschaften und die damit verbundene Aufspaltung in zwei Projekte ausschließlich erfolgte, um die Voraussetzungen der Notifizierung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit Punkt 2.1 des zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Multisektoralen Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben von 1998.
- cc) Voraussetzung der Bewertung mehrerer Projekte als ein einzelnes Investitionsvorhaben ist nach Punkt 7.2 des MSR 1998 sowie nach Art. 26 der VO (EG) Nr. 1260/1999, dass diese eine „Gesamtheit von wirtschaftlich nicht zu trennenden Arbeiten bilden, die eine genaue technische Funktion erfüllen und klar ausgewiesene Ziele verfolgen“. Nach Punkt 4.3 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007 bis 2013 gilt ein Vorhaben als Einzelinvestition, wenn die Erstinvestition in einem Zeitraum von drei Jahren von einem oder mehreren Unternehmen vorgenommen wird und festes Vermögen betrifft, das eine wirtschaftlich unteilbare Einheit bildet. Die wirtschaftliche Unteilbarkeit ist aufgrund der technischen, funktionellen und strategischen Verbindungen sowie der unmittelbaren räumlichen Nähe zu beurteilen, wobei die Eigentumsverhältnisse sowie der Umstand, ob das Vorhaben von einem oder von mehr als einem Unternehmen durchgeführt wird, unerheblich sind.
- dd) Die Urteilsgründe teilen nicht mit, welche Angaben bei Antragstellung gemacht worden sind und erlauben somit dem Senat keine Prüfung, ob das Vorliegen eines einheitlichen Projektes bei Antragsstellung durch unrichtige oder unvollständige Angaben verschleiert und dadurch Gestaltungsmissbrauch betrieben worden ist.
- c) Der Freispruch der Angeklagten S. und B. kann auch deshalb nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht nicht mitteilt, in welcher Funktion diese Angeklagten in die verfahrensgegenständlichen Subventionsverfahren eingebunden waren.
- Die Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen sind aufzuheben, weil die Angeklagten sie mangels Beschwer nicht mit einem Rechtsmittel angreifen konnten.
- Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
- a) Das neue Tatgericht wird bei seiner Prüfung die Angaben und Umstände zum Zeitpunkt der Antragstellung in den Blick zu nehmen haben. Der späteren Umsetzung der geplanten Projekte kommt für die Beurteilung der Frage, ob es sich um ein Investitionsobjekt handelte, das künstlich in zwei Komplexe getrennt wurde, nur indizielle Bedeutung zu-
- b) Zugleich wird das neue Tatgericht Gelegenheit haben, sich eingehender als bisher geschehen mit den Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, die für ein einheitliches Vorhaben sprechen, namentlich dem zeitlichen und inhaltlichen Gleichlauf beider Projekte, ihrer wiederholten Behandlung als nur „ein“ Vorhaben sowie mit dem gemeinsamen Betrieb infolge des Geschäftsversorgungsvertrages.
Berichtigungsbeschluss vom 11. Januar 2023
Tenor:
Das Urteil vom 15. November 2022 wird wegen eines offensichtlichen Schreibversehens in den Urteilsgründen auf Seite 12, Rn. 26, dahin berichtigt, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. Februar 2016 datiert.