Ausfuhr und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln? BGH, Beschluss vom 03.05.2022, Az.: 3 StR 105/22
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubter“ Ausfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen „unerlaubter“ Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Das Urteil
- Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 18. Dezember 2020 wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Ausfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Ausfuhr von Betäubungsmitteln schuldig ist.
- Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Sachverhalt
Der Angeklagte hat mit dem von ihm geführten LKW auftragsgemäß 50 kg Amphetamin von den Niederlanden über Deutschland nach Schweden verbracht.
Urteilsgründe
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sie hat jedoch die aus der Beschlussformel ersichtliche Schuldspruchänderung zur Folge.
- Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen, wonach der Angeklagte mit dem von ihm geführten LKW auftragsgemäß 50 kg Amphetamin von den Niederlanden über Deutschland nach Schweden verbrachte, tragen auch eine Verurteilung wegen Ausfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG.
- a) In Abgrenzung zur Ein- und Ausfuhr liegt eine Durchfuhr im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BtMG nur dann vor, wenn die Betäubungsmittel während des Transports durch das Inland zu keiner Zeit zur Disposition des Durchführenden oder einer anderen Person stehen und der durch die Beförderung bedingte Aufenthalt auf die zur Durchführung notwendige Zeit beschränkt ist. Die Urteilsfeststellungen belegen, dass der Angeklagte die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Amphetamin, welches der legalen Fracht als Beiladung untergeschoben war, auf dem Transportweg innehatte. Unbeschadet der Begleitung durch einen weiteren Beteiligten in einem Pkw konnte der Angeklagte während des Aufenthalts im Bundesgebiet jederzeit ungehindert auf die sich in dem von ihm geführten LKW befindenden Betäubungsmittel zugreifen. Der Angeklagte verwirklichte daher bei seiner Fahrt neben der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowohl den Tatbestand der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG als auch den der Ausfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG.
- b) Die Einfuhr und die auf demselben Tatentschluss beruhende Ausfuhr von Betäubungsmitteln bilden eine natürliche Handlungseinheit und damit eine Tat im materiellen Sinne.
- Hinsichtlich der ausgeurteilten Delikte ist die ausdrückliche Bezeichnung als „unerlaubt“ entbehrlich, da Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ausschließlich den unerlaubten Umgang mit den dort genannten Stoffen betreffen.
- Der Senat kann in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Das Verschlechterungsverbot des § 358 StPO hindert die Verschärfung des Schuldspruchs nicht.