Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen? BGH, Beschluss vom 16. November 2022, Az.: 3 StR 324/22
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen und sexuellen Übergriffs in Tateinheit mit versuchter Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Weiteren unbegründet.
Das Urteil
- Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 3. Juni 2022 im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener versuchter Vergewaltigung entfällt.
- Die weitergehende Revision wird verworfen.
- Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Sachverhalt
Nach den vom Landgericht zu dem letzten Fall getroffenen Feststellungen griff der Angeklagte der in ihrem Bett schlafenden Nebenklägerin von hinten in die Unterhose und versuchte, mit einem Finger in ihre Scheide einzudringen.
Urteilsgründe
- Auf dieser Grundlage ist der Schuldspruch wegen sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB ohne Rechtsfehler. Soweit die Revision geltend macht, für einen Vorsatz des Angeklagten mangele es an tatsächlichen Anhaltspunkten, ergibt sich der subjektive Tatbestand aus dem Zusammenhang sowohl der Feststellungen als auch der Beweiswürdigung. Insbesondere hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei die Einlassung des Angeklagten für widerlegt erachtet, der zufolge die Nebenklägerin bereits wach gewesen sei. Vor diesem Hintergrund hat es hier keiner ausdrücklichen Ausführungen dazu bedurft, dass er ihren Schlaf bemerkte.
Allerdings ist der Schuldspruch wegen einer tateinheitlich begangenen versuchten Vergewaltigung aufzuheben.
Der Generalbundesanwalt hat hierzu insgesamt ausgeführt:
„[…] die Verurteilung wegen sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB wegen der Tat im August 2019 begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Der Angeklagte hat ausgenutzt, dass die Nebenklägerin nicht in der Lage war, einen den sexuellen Handlungen des Angeklagten entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern.
Das Landgericht ist mit der ständigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass eine versuchte Vergewaltigung bei Vollendung des Grundtatbestandes des § 177 Abs. 1 StGB auf Grund des auch nach der Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Verbesserung der sexuellen Selbstbestimmung vom 4.11.2016 weiterhin als Strafzumessungsregel ausgestalteten § 177 Abs. 6 StGB nicht in Betracht kommt (UA S. 28). Dann ist aber auch keine Tenorierung als versuchte Vergewaltigung möglich, weshalb der Schuldspruch zu berichtigen ist.“
Dem schließt sich der Senat an.
- Die weitere Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat, wie vom Generalbundesanwalt näher dargelegt, keinen sonstigen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
- Angesichts des nur geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).